Und dann kam die Mutter nicht. Und ich kann es total verstehen. Und ich bin enttäuscht.
Das Seminar hatte mich so motiviert, so gut auf den Tag vorbereitet und mich in all meinem Denken gestärkt: den leiblichen Familien positiv eingestellt zu sein. Mit dem gesunden Abstand, dass es einen Grund gibt warum es so ist.
Doch kein Mensch ist von Natur aus schlecht. Es gibt genug Filme darüber. Gerade aus diesem Grund, sind genau diese dunklen Rollen in der Schauspielerei sehr begehrt. Diesen Weg zu zeigen warum und wie jemand so böse, gemein oder hinterhältig wird. Das ist schauspielerisch unfassbar spannend. Herausfordernd.
Das wiederum, lässt sich wie ich finde wunderbar auf Herkunftsfamilien übersetzen. Nicht das sie böse, gemein oder hinterhältig sind. Sondern Verständnis für den Grund zu suchen, warum diese Familien nicht anders können. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass keine Mutter ihr Kind nicht liebt. Die Liebe ist so vielfältig wie wir Menschen bunt sind. Liebe hat manchmal komische Arten und Weisen sich zu äußern. Irgendwann sind vielleicht auch die eigene Scham und Wut auf sich selbst, Angst und Trauer so groß, dass es schier unmöglich scheint allein aus dieser Lage herauszufinden.
Zumal oft die eigene Vergangenheit wenig rosig war.
Woher soll also das Wissen es besser zu machen kommen?
Woher die Kraft es anders zu versuchen?
Woher der Mut gegen altes Stigma anzukämpfen?
Mir ist völlig klar, dass es immer eine Ausnahme für die Regel gibt. Und sicher sitzen jetzt viele Pflegeeltern vor diesem Artikel und schütteln den Kopf. Ja, es gibt die Menschen die scheinbar keine Sorge in sich tragen, die keine Liebe zu empfinden scheinen oder völlig desinteressiert wirken.
Doch trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass es einen Grund gibt warum ein Mensch so handelt wie er es tut. Niemand ist einfach böse.
Es gibt da sehr viele, sehr tolle Schauspiel-Bücher über Rollenarbeit. Und gerade bei Bösewichten, gehen diese Bücher psychologisch auf diese Ebenen heran.
Ein Vergewaltiger wird oftmals deshalb zu eben diesem, weil er in seiner Kindheit und Jugend so klein gemacht und gehalten wurde, dass er nur so das Gefühl hat über irgendetwas Macht zu haben. Und das Gefühl von macht „braucht“ er, denn er kennt es nicht anders.
Ein Mörder tötet in den meisten Fällen aus persönlichen Motiven heraus. Eifersucht, Verlust, Rache oder Hass. Und all diesen Gefühlen geht ein Ereignis voraus. Etwas das diesen Menschen so verletzt hat, um eben diesen Schritt zu gehen
Einem „bösen“ Menschen ist oftmals viel Böses wiederfahren. So viel Böses, bis dieser Mensch nicht mehr dagegen ankam und nur psychisch überlebte in dem er sich anpasste.
Keines dieser Erklärungen rechtfertigt die schlussendliche Handlung. Doch gibt sie vielleicht einen Einblick in die Misere, in der sich dieser Mensch befindet.
Und oft fallen diese Menschen überhaupt nicht auf. Sie haben ganz viele wunderbare liebevolle und sympathische Eigenschaften wodurch nie jemand auf die Idee kommt, dass diese Menschen etwas sehr Schweres plagt.
Ich möchte jetzt keinesfalls Herkunftsfamilien mit diesen Extremen Rollen gleichsetzen. Doch in der Übertreibung liegt die Veranschaulichung.
Es ist oftmals einfach viel komplexer und trivialer als es zuerst erscheint. Und hier sind wir, die glücklichen Menschen, die wir durch unser Aufwachsen geworden sind oder unserer Kraft unser Leben zu ändern, gefragt und gefordert.
Hier ist es unsere Pflicht nach den guten Eigenschaften zu suchen und sich mit diesen zu identifizieren. Für unsere Kinder. Mit einem positiven Gefühl den leiblichen Eltern gegenüber eine tragbare und wohltuende Atmosphäre zu schaffen. Für unsere Kinder.
Deswegen bleibe ich am Ball. Deswegen werde ich immer und immer wieder, so lange es unseren Kindern nicht schadet, den kontakt zur Herkunftsfamilie suchen.
Egal wie oft diese nicht kommen.
Egal wie oft sie kurzfristig absagen.
Egal wie absurd es manchmal scheint.
Ja es mag „unfair“ erscheinen, dass wir als Pflegeltern, die wir doch sowieso schon so viel leisten, jetzt auch noch hier die treibende und tolerante Kraft sein sollen.
Aber hier geht es nicht um uns. Und auch nicht um die leiblichen Eltern. Es geht um unsere Kinder.
Menschen sterben. Aus so vielen Gründen. Plötzlich.
Und darum ermögliche ich meinen Kindern jeden Kontakt, den die Herkunftsfamilie möglich macht. Mit viel Liebe und Respekt diesen Menschen gegenüber. Denn diese Menschen haben unseren Kindern das Leben geschenkt. Das kann ich ihnen nicht streitig machen. Und das ist, so grausam das jetzt klingen mag, so furchtbar der Umstand ist, ein riesen Geschenk.
Danke! Danke! Danke!
Ich bin weder Pflegemama noch Herkunftsmama noch habe ich selbst direkt etwas mit dem Thema zutun ABER genau das, was Du, lieber Kevin, gerade beschreibst, predige ich seit Jahren, wenn es mal wieder heißt “Dem gehört es noch schlimmer” oder “Zu Tode quälen sollte man diesen Menschen” (ich hoffe Du verstehst, was ich meine). Kein Mensch ist von grundauf BÖSE. Jeder in meinen/der Gesellschaft Augen “böser” Mensch ist durch erlebtes zu dem geworden, was er ist und hat deshalb nicht weniger Rechte als “gute” Menschen.
Hut ab, dass ihr so liebevoll mit der Herkunftsfamilie versucht umzugehen, Kontakt zu knüpfen, obwohl ist wisst, dass sie nicht “gut” zu euren Kindern sind/waren/sein können.
Liebste Grüße aus der Rhön ♥️♥️♥️
❤❤
Wow, ein toller Text. Wir waren selbst Pflegefamilie, mein Bruder ist mittlerweile aber adoptiert. Ich finde es auch so wichtig für ihn, dass wir ihm verständlich machen können, dass seine leiblichen Eltern nicht „böse“ waren, sondern einfach selber zu wenig Liebe erfahren haben, um diese an ein Kind weiter zu geben. Immerhin ist er irgendwie ein Teil von ihnen und soll kein schlechtes Gefühl dabei haben.
❤❤❤❤
Lieber Kevin,
ich finde es ganz toll, was ihr macht – du und dein Mann ihr leistet Großartiges für eure zwei Kinder!
Mir ist beim Lesen noch folgende Geschichte eingefallen, die ich selbst mal gehört habe. Ich könnte mir vorstellen, dass sie dir auch gefällt.
Wenn du magst, schau doch mal hier: https://www.judith-will.de/2016/09/02/das-gro%C3%9Fe-geschenk-deiner-arschengel/
Liebe Grüße aus Heidelberg!
Annette
Danke ❤
Hallo Familie Pipapo!
Ich habe schon auf Instagram geschrieben. Ich bin ein Fan von Euch Ihr seit für alle Familien egal wie sie zusammen gesetzt sind Patchwork ect. ein Vorbild .
Auf meiner Website ” My Life My Story ” steht meine Gesundheits Geschichte Part 1.) in 6 Sprachen hier der Link in Deutsch
http://claudiahill.be/test-pagina/hepatitis-c-claudys-geschichte/
Ich bin so stolz auf Euch den Kindern eine ruhige liebevolle warme Familie gebt.
Liebe Grüße Küsschen vor die Kindern Eure Claudy-paris aus Belgien
❤
Ein toller Beitrag und so wundervoll ehrlich geschrieben. Ich bin zwar keine Pflege- oder Herkunftsmutter aber Stiefmutter und auch da finde ich trifft vieles von dem was du geschrieben hast zu.