Flugangst
Das Wort allein beschert manchen Menschen schon feuchte Hände. Verständlich. Denn die Luft ist nicht das Element, in dem wir uns natürlicherweise bewegen. Und dazu noch übergeben wir unser Leben in fremde Hände. Oftmals an einen Menschen, den wir als Passagier nicht einmal zu Gesicht bekommen. Himmel, ich kenne meinen Mann nun schon fast 10 Jahre und bekomme regelmäßig Schweißausbrüche, wenn ich Beifahrer bin. Und da kann ich sogar noch mit rausschauen. Im Flieger nicht. Zumindest nicht nach vorn. Die Frage, ob Flugangst berechtig ist, stellt sich nicht. Ängste sind nichts Rationales. Aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen und mit rationalen Ansätzen zumindest einige diffuse Fehlannahmen entkräften, bzw. uns mit Fakten ein wenig gefühlte Sicherheit verschaffen. Dies will ich als Flugbegleiter mit Blick hinter die Kulissen hier nun einmal versuchen.
Erstens: Alle Flugzeuge unterliegen strengen und engmaschigen Wartungsintervallen. Diese reichen von der Kontrolle durch den fliegenden Piloten vor jedem Flug über festgelegte Kontrollintervalle der Technikabteilung bis hin zum sogenannten D-Check, bei dem ein Flugzeug nach einer bestimmten Zeit oder Anzahl von Betriebsstunden KOMPLETT auseinander- und wieder zusammen gebaut wird. Da wird sogar der Lack entfernt, um die Flugzeughülle zu überprüfen. Und vor allem die Triebwerke, sprich Motoren werden bis aufs letzte Schräublein zerlegt. Da ist das Flugzeug im Anschluss wie neu.
Zweitens: Auch wir als Besatzung wollen heil herunterkommen. D.h. sollte es doch einmal Zweifel an einer sicheren Flugdurchführung geben, wegen Technik oder auch Wetters, dann gehen unsere Kapitäne immer auf Nummer sicher. Und anders als z.B. bei einer irischen Billiglinie wird bei uns auch kein Pilot zum Sprit sparen angehalten und lässt sich deshalb auf waghalsige Aktionen ein, wie eine Landung mit letztem Tropfen.
Drittens: Die Kabinencrew hat auch immer alle Augen und Ohren offen. Sollte während des Fluges irgendetwas nicht stimmig sein, haben wir spezielle Verfahren und regelmäßiges Training zum Thema Informationsweitergabe. Wir als Flugbegleiter haben ein super gutes Gespür, wie das Flugzeug klingt oder sich bewegt. Jegliche Abweichung fällt uns immer auf und wir sofort gemeldet.
Viertens: Turbulenzen. Sie sind ernst zu nehmen. Als Passagier. Und Crew. Das bedeutet anschnallen, wann immer möglich. Dies sagen wir auch an. Das Flugzeug selbst ist flexibel gebaut. Das heißt, ich kann sowohl den Rumpf als auch die Tragflächen sehr weit verbiegen, ohne dass es dem Flugzeug etwas tut. Die Tragflächenspitzen eines Jumbo-Jets lassen sich bis zu 6m nach oben und unten bewegen, ohne Schaden zu nehmen. Hier kann mir also nur etwas passieren, wenn ich bei Turbulenzen im Flugzeug herumwandere, anstatt angeschnallt zu sein. Deshalb immer die Ansagen der Crew beachten!
Fünftens: Blitzschlag. Das Flugzeug ist ein Faraday’scher Käfig. Es kann zunächst nichts passieren. Obgleich die Flugzeughülle schon vom Blitz beschädigt werden kann, was aber keine direkte Gefahr bedeutet. Auch hier haben wir klare Verfahren und die Maschine wird nach einem Blitzschlag einer speziellen Wartung unterzogen.
Sechstens: Landung. Start und Landung gehören zu den risikoreichsten Phasen des Fluges. Bei allem Spar Wahn, der auch die Airline Branche erreicht hat, sind unsere Piloten immer zu zweit im Cockpit. Beide arbeiten in den Start- und Landephasen eng miteinander und während der eine steuert, überprüft der andere stetig alle Parameter und eventuelle Abweichungen. Der Flughafen sendet auch bis kurz vor der Landung aktuelle Wetterdaten und beim leisesten Zweifel wird z.B. eine andere Bahn mit anderen Windverhältnissen gewählt oder gar ein anderer Flughafen, wenn eine Landung nicht sicher durchgeführt werden kann.
Siebtens: Alfred Hitchcock. Ja, die Vögel können ein Triebwerk beschädigen. Aber meist geht ein unerwünschtes Zusammentreffen eher zu Ungunsten des Vogels aus. Und Flughäfen setzen verschiedene Maßnahmen ein, um die Gefahr des Vogelschlags zu vermeiden. Diese reichen von Platzpatronen über den gezielten Einsatz von trainierten Falken bis hin zu einem außergewöhnlichen Biotopmanagement am Flughafen München, bei dem spezielle Langgrasbestände und magere Wiesen für schwere Vögel unattraktiv sind, derweil sich gefährdete Arten , wie der Kiebitz dort gut vermehren. Diese kleinen Vögel wiederum halten sich von Natur aus den herannahenden Flugzeugen fern.
Nun könnte ich noch die Statistiken ins Feld führen, die belegen, dass die Gefahr eines tödlichen Unfalls beim Radfahren viel höher liegt. Oder dass die Zahl der tödlichen Unfälle im Flugverkehr kontinuierlich abnimmt. Auch wenn es sich aufgrund medialer Beachtung anders anfühlt. Die Technik entwickelt sich weiter und aus jedem Flugunfall werden Erkenntnisse gezogen und Verfahren weiterentwickelt.
Fliegen ist sehr sicher. In jedem Fall bei meinem Unternehmen. Und auch bei vielen anderen. Auf www.auswaertiges-amt.de/de/16-fluggesellschaften/606092 findet Ihr die Nummer eines Bürgertelefons des Luftfahrtbundesamtes sowie Links zu den Verbraucherzentralen der Bundesländer. Hier könnt Ihr Euch über die Sicherheit einzelner Airlines informieren.
Und Angst ist trotzdem erlaubt. Aber wie immer im Leben nur eingeschränkt förderlich. Ich hoffe deshalb, ich habe Euch ein wenig davon nehmen können. Ich fliege selbst nun schon fast 20 Jahre für die Deutsche Lufthansa. Es war ganz selten mal ein wenig aufregend und immer habe ich großartige Kollegen in Cockpit und Kabine dabeigehabt und mich sehr sicher gefühlt. Ich habe eher mal Angst vor seltsamen Passagieren. Aber das ist eine andere Geschichte uns soll ein andermal erzählt werden…
Zu guter Letzt: Es gibt Seminare, die einfach großartig sind und vor allem NACHHALTIG abhelfen. Unter www.flugangst.de findet Ihr ein solches Angebot. Lasst die Flugangst Euch nicht davon abhalten, die Welt zu erkunden. Sie ist es wert, bereist zu werden.
Hallo ihr Lieben
Der Beitrag hat mir sehr gut gefallen.Ich muß gestehen, daß ich noch nie geflogen bin.Genau wegen der Flugangst.Aber der Beitrag hat mich schon ein bisschen ins Wanken gebracht, möchte ich doch schließlich mal nach London, Stockholm oder Kopenhagen.Erreicht man mit dem Flugzeug wohl am schnellsten Auf jeden Fall bedanke ich mich für den Beitrag. Er ist sehr gut geschrieben.
Liebste Grüße
Ronja
Toller Artikel! Und es geht einfach nix über die Lufthansa. Ob wir wohl schon mal mit Dir geflogen sind ???
Vielen Dank für diesen tollen Artikel zu diesem Thema. Ich bin auch wirklich geplagt von Flugangst und diese rationale Aufzählung von Fakten hilft mir. Und auf dem Video wirken Sie so sympathisch und strahlen soviel Sicherheit aus. Mit Ihnen würde ich mich viel wohler an Board fühlen. Danke!