Imkern – eine Gefahr für Bienen?
Imkern ist das neue Yoga. Ein angesagtes Hobby, das Bio-Fairtrade-Honig bringt. Der lässt sich mit der passenden Upcycling-Verpackung als trendiges Mitbringsel für die Oma zu Weihnachten schenken. Nebenbei wird man aktiver Naturschützer und leistet einen vermeintlichen Beitrag zum Wohle der Natur: Die Gründe fürs Imkern liegen wahrscheinlich irgendwo dazwischen, aber Fakt ist: Imkern wird immer beliebter. Vor allem in Großstädten wie in Berlin, wo in immer mehr Hinterhöfen Bienenkästen aufgestellt werden Der Deutsche Imker Verband verzeichnete in der Hauptstadt in den letzten drei Jahren einen Zuwachs an Bienenvölkern auf 6,05 Völker/km². Eine Dichte, die zu Problemen führen kann.
Wer imkert, liegt also voll im Trend und tut etwas für den Schutz der Natur. Dachte ich zumindest immer. Dann hörte ich den Satz: „Die Imker sind eine Gefahr für die Bienen“, und horchte auf. Moment mal – wie geht das denn? Ich dachte, Imkern und Bienen gehören zusammen? Sorgen die Imker nicht dafür, dass genug Bienen zum Bestäuben der Obstbäume vorhanden sind?
Ja, aber Biene ist nicht gleich Biene! Auch andere Insekten bestäuben Blüten. Mit einer zu hohen Dichte an Honigbienen geraten die anderen Bestäuber, wie die Wildbienen, ins Hintertreffen. Honigbienen schaden also den Wildbienen?
Zwar wusste ich, was Wildbienen sind. Dass sie solitär (also jede für sich) leben und nicht in Staaten organisiert sind. Dass sie ihre Nester in Röhren oder im Erdboden haben. Und mir war auch bekannt, dass Wildbienen in der breiten Bevölkerung nicht das gleiche „Standing“ haben wie die beliebte Honig-bringende (dafür aber stechende!) Biene Apis mellifera. Aber dass die Honigbiene ein Konkurrent der Wildbienen sind, darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. Und wollte der Sache mal genauer auf den Grund gehen.
Der Nutzen der Wildbienen
Da bei den Wildbienen nur die Nachkommen überwintern und im Folgejahr schlüpfen, benötigen die Solitärbienen keinen Honig als Futterpolster für den Winter und produzieren demzufolge auch keinen Honig. Die ökonomische Bedeutung für den Menschen ist bei den Honigbienen und ihrer „Produktpalette“ an Honig, Wachs und anderen Bienenprodukte höher. Aber Bestäuber-Leistung bringen sowohl die Honigbienen, als auch die 560 einheimischen Wildbienenarten. Und die, ja die machen ihren Job sogar besser als die Honigbiene. Höchste Zeit, eine Lanze für die Wildbienen zu brechen!
Wildbienen fahren eine höhere Bestäuberleistung ein als Honigbienen. Und das ist jetzt kein greenwashing, um die brummenden, unscheinbaren Insekten beliebter zu machen, sondern wurde 2013 von internationalen Forscher um Lucas Garibaldi nachgewiesen. Sie haben im Fachjournal „Science“ einen Artikel veröffentlicht, der nahelegt, dass Wildbienen eine doppelte Bestäuberleistung hinlegen als Honigbienen. Sie transportieren wohl nicht mehr Pollen als die Honigbiene, setzen aber auf mehr Qualität beim Pollentransport. Garibaldis Fazit: Honigbienenvölker an den Rand der riesigen Ackerschläge zu fahren, und sich ganz auf ihr Bestäubung zu verlassen, wie es heute in den USA schon üblich ist, ist ein Trugschluss. „Wir haben beobachtet, dass in Landschaften mit geringerer Vielfalt und geringerem Vorkommen von wilden Insekten die Pflanzen weniger Samen und Früchte ansetzen.“, fasst Garibaldi die Beobachtungen zusammen. „Das trifft sogar auf Felder zu, auf denen es viele Honigbienen gibt. Das heißt, dass Honigbienen hinsichtlich der Qualität und Quantität der Pollenversorgung die wilden Insekten nicht ersetzen können, egal wie viele Honigbienen es gibt.“
Bienenkonkurrenz
„Honigbienen fressen ihren wilden Verwandten die Nahrung weg“, war die Erklärung, warum das Imkern eine Gefahr für Bienen sei. „Es blüht doch so viel, können die nicht teilen?“, könnte man als friedliebender Mensch denken.
Bei einigen Wildbienenarten ist dies möglich. Sie sammeln Pollen von Lippenblütlern, Rachenblütlern oder Korbblütlern und sind im Nahrungsverhalten ungebunden. Sie sind einfach glücklich zu machen, weil sie nicht wählerisch sind. Doch 31% der Wildbienenarten in Deutschland sind bei der Nahrungsaufnahme auf einzelne Pflanzenfamilien spezialisiert. Sie haben ein geringes Ausweichspektrum an Alternativarten, deren Pollen sie verwerten. Verschwinden ihre Futterpflanzen aus der Landschaft, sterben diese Arten aus. Vielleicht würden sie gerne teilen, aber sie können es nicht. Sie sind von Natur aus nicht flexibel genug bei der Nahrungsaufnahme und können aufgrund ihrer evolutiven Anpassung nicht auf andere blühenden Arten ausweichen.
Die Honigbiene dagegen ist wenig wählerisch. Sie ernährt sich von verschiedensten Blüten – ihr fehlt die Spezialisierung auf bestimmte Nahrung. Darum geht es ihr Nahrungstechnisch besser. Ein klarer Vorteil gegenüber den Wildbienen! Die trifft es durch ihre wählerische Ernährung besonders, wenn spezielle Futterpflanzen von gezüchteten Honigbienenvölkern abgeerntet werden.
Alleinerziehend und auf Wohnungssuche
Die Honigbiene frisst den Wildbienen also ihre Nahrung weg. Und sie hat eine deutlich bessere Ausgangslage dafür!
Denn in den Hochleistungsvölkern der Imker legt die Königin täglich über 1500 Eier. Die Wildbienen, wie das mit Alleinerziehenden so ist, haben genug Probleme mit Nahrungsbeschaffung und bezahlbar beziehbaren Wohnraum, sodass sie nur 10 fortpflanzungsfähige Weibchen pro Jahr (!) in die Welt setzen. Die hohe Dichte an Honigbienen, die Nahrungsmittelknappheit in der Landschaft und die fehlenden Nistplätze für Wildbienen führen zu einer Konkurrenz zwischen Honigbiene und Wildbiene. Zudem kann in der kürzeren Lebensspanne der Wildbienen mit 4-6 Wochen ein Versorgungsloch nicht abgepuffert werden. Außerdem fehlt dafür ja der Honigvorrat, den sich die Honigbienen über eine ganze Saison hinweg anlegen.
Hoteliers für Wildbienen-Hotels gesucht
Also sollen wir jetzt das Imkern aufgeben, und stattdessen alle in den Wildbienen-Hotelbusiness gehen? Ersteres: Nein, wer imkern will, kann das natürlich gerne weiter tun. Aber ein Blick über den Honigbienen-Tellerrand hinaus wäre noch hipper, als das alleinige Imkern in der Großstadt. Und zweiteres: Ja, Schutzmaßnahmen für Wildbienen sind dringend notwendig, um den jährlich steigenden Anmeldezahlen für die Rote Liste gefährdeter Arten Einhalt zu gebieten.
Dabei sind die Schutzmaßnahmen am sinnvollsten, die sich nicht allein auf den Bienenschutz bezieht, sondern alle Arten fördern. Liegt das Augenmerk auf einer höhere Strukturvielfalt der Landschaft mit einer blüh- und artenreichen Vegetation, wird die Nahrungskonkurrenz entzerrt. Die Ansaaten sollten dabei den Bedürfnissen von Wildbienenarten entsprechen. Für den Berliner Hinterhof heißt das: Küchenkräuter wie Thymian, Rosmarin, Lavendel und Salbei mit ungefüllten Blütenpflanzen wie Löwenmaul, Männertreu und Kapuzinerkresse in schicke Upcycling-Behälter pflanzen und gut pflegen. Daneben ein paar Steine aufschichten, in deren Ritzen die solitären Bienen gerne brüten.
Und das Weihnachtsgeschenk für die Oma? Wildbienen-Hotels sind aus hohlen Ästen und vorgebohrten Löchern in Holz, dazu ein Fenster aus Lehm oder Erde, schnell gemacht. Ins HotelierBusiness steigt ihr ein, wenn ihr gleich zwei baut. Eins bei euch vor der Wohnung und eins bei Oma im Garten. Der perfekter Einstieg ins Hotel-Business und als Naturschützer.
Habt ihr auch ein Wildbienen- oder Insektenhotel im Garten? Zeigt mir eure Ideen und verlinkt mich auf Instagram mit @Quercustexte – ich sammle die besten Ideen für ein DIY. Und wenn euch grüne Themen interessieren findet ihr auf meiner Website (www.quercustexte.de) mehr über meine Arbeit als freie Texterin in den Bereichen Nachhaltigkeit, Naturschutz und naturorientiertes Aufwachsen.
1 Kommentar