Vor ziemlich genau 10 Jahren habe ich meinen Mann geheiratet. Ganz klassisch, erst Standesamt, dann Kirche.
Noch 2 Jahre zuvor war das undenkbar für mich. Denn ich war lesbisch.
Oder doch nicht?
Es kam der Tag, an dem ich Rolf in die Augen blickte und mich verliebt habe. Und vom ersten Moment an konnte ich es mir nicht erklären.
Wir haben ein Haus gebaut, und 2013 wurde unser erstes Kind geboren. Bei der Namenswahl sagte mein Mann, dass er Ronja ganz schön fände. Aber Kind1 wurde ein Junge.
Als 2016 unsere Zwillinge unterwegs waren und klar war, dass ein Mädchen dabei war dachte ich, die Namensfrage sei geklärt. Aber von meinem Mann kam ein so entschiedenes NEIN, wie ich es noch nie zuvor von ihm gehört hatte.
Er wurde immer stiller, hat nur noch gearbeitet oder geschlafen.
Ich habe mir viele Gedanken gemacht, vor allem aber Sorgen.
Mache ich etwas falsch? Was mache ich falsch? Bin ich nicht mehr attraktiv? Was kann ich tun damit wir wieder eine Familie werden?
Denn unser Großer hatte zu dem Zeitpunkt schon mehrfach anderen erzählt „Mein Papa ist nicht so wie deiner, der spielt nie mit uns“ oder „Mein Papa schläft immer nur“.
Das tat mir so unglaublich weh aber ich wusste nicht was ich noch machen sollte.
Aus lauter Verzweiflung habe ich mir an einem Freitag im Oktober 2017 die Haare a la Brittney Spears abgeschnitten. Weil ich fast wahnsinnig geworden bin und etwas tun musste.
Am gleichen Abend hat sich mein Mann mir anvertraut.
Mir gesagt, dass er sich schon seit Jahren als Frau fühlt, viele Sachen heimlich gekauft hat und nicht mehr als Mann leben kann.
Sie hat mir angeboten, uns zu verlassen. Für uns und das Haus zu zahlen und aus unserem Leben zu verschwinden, damit es einfacher für uns wäre.
EINFACHER???
Unsere Kinder müssten ohne Papa aufwachsen und ich müsste aufhören, sie zu lieben.
Nein, das wäre definitiv nicht einfacher!
Wie soll ich denn bitte aufhören, die Liebe meines Lebens zu lieben???
Sicherlich würde es nicht einfach werden, aber wir gehören zusammen!
Wir haben uns das Ja-Wort gegeben. In guten, wie in schlechten Zeiten!
Leider ist es nicht ganz so einfach, das Geschlecht zu ändern.
Bevor beim Amtsgericht eine Personenstandsänderung beantragen werden kann, muss erst der Alltagstest bestanden werden, so ist es Vorschrift.
Alltagstest bedeutet, unter therapeutischer Begleitung ein Jahr als Frau zu leben.
Wir haben meine Frau neu eingekleidet, ein neuer Name musste auch her. Und da viel es mir wie Schuppen von den Haaren.
Ronja!
Das war ihr Name!
Deswegen wollte sie nicht, dass wir unser Kind so nennen. Weil es der Name war, den sie gerne haben wollte!
Da meine Frau schon immer alles Hals über Kopf gemacht hat, lief das Outing genau so ab. An einem Tag wurden alle Verwandten und Bekannten angerufen oder angeschrieben. Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.
Unseren Großen (zu dem Zeitpunkt 4,5 Jahre alt) haben wir nicht damit überrumpelt. Wir haben mit ihm situationsbezogen geredet. Wenn Papa eine Leggins an hatte oder sich die Fingernägel lackiert hat, haben wir das zum Anlass genommen.
Und wir haben das Buch ´Teddy Tilly‘ gekauft. Es erzählt vom Teddybären Thomas, der ganz furchtbar unglücklich ist und als Tilly wieder glücklich wird. Ein wundervolles Buch!
Als ich mich das erste Mal hingesetzt habe um das Buch vorzulesen, sagte unser Großer gleich „Mama, Papa war auch immer so traurig und jetzt nimmt er deinen Nagellack und hat Frauenpullover und jetzt ist er wieder fröhlich. Genau wie der Teddy! Mama, wie möchte Papa denn jetzt heißen?“
In dem Moment war mir klar, dass es die richtige Entscheidung ist.
Kinder sind nicht dumm. Er hatte die ganze Zeit gespürt dass etwas nicht stimmt.
Jetzt ist Papa glücklich, und das ist doch die Hauptsache.
Nur so by the way – meine Frau hat sich seit ihrem Outing nie wieder direkt nach der Arbeit ins Bett gelegt sondern verbringt jede freie Minute mit den Kindern.
Im Vorfeld hatten wir viele Bedenken. Meine Frau hat einen hohen Posten in einer städtischen Jugendorganisation. Was würde ihr Vorgesetzter sagen? Und die Eltern?
Zum größten Teil nichts!
Es gibt vielleicht welche, die ihre Kinder abgemeldet haben. Leider sind diese Menschen nicht ehrlich, bzw haben nicht den Mut um zu sagen, dass sie ein Problem damit haben.
Wir gehen sehr offen damit um und sofern uns die Leute ansprechen, verlaufen die Gespräche durchweg positiv.
Schlimm ist es, wenn jemand hinter unserem Rücken und in unserer Abwesenheit redet.
Und das ist genau der Punkt, mit dem ich auch noch lernen muss, umzugehen.
Denn es ist passiert, dass sich meine Ehemaligen Kollegen (ich bin seit 5 Jahren in Elternzeit), über mich ausgelassen haben, dummerweise mit einem Maulwurf in ihrer Mitte.
Jeder gibt seinen Senf dazu ohne eine Ahnung zu haben und die Situation schaukelt sich hoch. Und dann wird es verletzend.
Aber das wird uns in Zukunft sicher noch öfter passieren.
Denn der Alltagstest läuft erst seit Anfang diesen Jahres und unsere Kinder sind noch klein, ihre Freunde noch nicht geprägt. In ein paar Jahren werden sicherlich auch sie sich dumme Sprüche anhören müssen, hoffentlich nur vereinzelt. Und wir werden alles dafür tun, dass ihr Selbstbewusstsein bis dahin stark genug ist.
Auch wenn es nicht einfach wird, so ist es doch richtig, diesen Weg zu gehen. Denn jetzt haben unsere Kinder wieder einen Papa, der für sie da ist, ich habe eine Frau, der es gut geht.
Und jetzt weiß ich aus, warum ich mich vor 11 Jahren in Rolf verliebt habe.
Weil ich schon damals Ronja gesehen habe!
maframas_happygrowinup teilt auf Ihrem Instagram Profil die Geschichte Ihrer Familie. Und ich kann einfach nur Danke sagen. Danke für den Mut, die Unvoreingenommenheit und die Bedingungslose Liebe deiner Frau gegenüber.
Bitte mehr von solchen Menschen und Geschichten liebe Gesellschaft!!!
Was für eine berührende Geschichte! Ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen ❤️
Das finde ich auch 😀
Liebe maframas, vielen Dank für deine Geschichte. Mein Freund hat sich mir vor zwei Monaten anvertraut. Nicht, dass er Transgender ist. Er ist seit 14 Jahren Crossdresser und hat dies bis heute in aller Heimlichkeit ausgelebt. Und seitdem er es mir gesagt hat, ist er so viel mehr er selbst und sorgenfreier. Es macht mich so glücklich bei ihm zu sein und diese Seite neu an ihm zu entdecken und ihn dabei zu unterstützen. Klar muss ich mir darüber Gedanken machen, ob ich in allen Situationen zu ihm stehen kann. Wenn es mal schwierig wird, wenn die Gesellschaft, sollte er es denn draussen ausleben wollen, ihn verurteilt. Mich verurteilt. Aber letzt endlich zählt nur mein Partner. Der mich versteht. Der immer noch er selbst ist, jetzt eben nur noch authentischer. Ich liebe diesen Mann über alles mit Lippenstift und Nagellack und ohne.
wow. Danke fürs Teilen. Liebe ist eben einfach bunt. PUNKT.
Wow, das ist auch heftig. Aber toll wie du damit ungehst und dass du zu ihm stehst. Aber ich kann nun mit einem halben Jahr Erfahrung sagen, dass die Gesellschaft gar nicht so schlimm ist wie wir immer denken. Einfach trauen und zur Not: lass die Leute reden…
Wie schön! Ich freu mich so sehr dass es den Mut zum Aussprechen gab, ich möchte gar nicht denken wie viele Menschen mit dem richtigen Partner einfach nur sie selbst sein könnten, aber es vieleicht noch nicht sind.
Eure Geschichte macht Mut und zeigt wie wichtig es ist nicht alles schwarz weiß zu sehen, sondern bunt.
Das finde ich auch. Diese Geschichte macht Mut.
Ich finde es klasse wie sie zueinander stehen.
So selbstverständlich – das sollte einfach normal sein – Dinge zu aktzeptieren auf der ganzen Welt und niemanden für etwas zu verurteilen.
Ich mag es wenn Menschen das ausleben was sie sein möchten und zu sich stehen. Danke für dösen Gastbeitrag
Das mag ich auch #liebeistkrasseralshass ❤
Wow, toll!
Was Liebe doch alles kann!
Wahnsinnig berührend!
Besonders toll finde ich, dass Ronja nicht mehr so müde ist und sich um ihre Kinder kümmern kann!
Liebe Grüße von Annika