„Oh man, zweiter Gastbeitrag und die Frau hat was zu meckern. Na die hat ja Nerven.“
Ja die Nerven dazu hab ich tatsächlich. Denn ich möchte dich auf ein Phänomen aufmerksam machen, dass ich bei vielen Eltern beobachte und was mich sehr nachdenklich stimmt.
Aber von Anfang. Wir, die derzeitige Elterngeneration, sind ernährungstechnisch ziemlich frei aufgewachsen. Wir haben als Babys „dicke Schmelzflockenmilch“ oder „dicken Brei“ zum Einschlafen bekommen, wir haben als Beikost auch mal Vanille- oder Schokoladenpudding verschlungen und Pommes und Bratwurst waren in unserer Kindheit die Standardmahlzeit auf jedem noch so kleinen Fest. Das sind natürlich extreme Beispiele und bei vielen wurde zuhause sehr regelmäßig frisch gekocht, aber du wirst gleich erfahren auf was ich hinaus möchte.
Nun ist aus dieser Art der Ernährung natürlich nicht nur Gutes entstanden. Die Anzahl der übergewichtigen Kinder, Jugendlichen und auch Erwachsenen ist so hoch wie nie zuvor. Und das ist wirklich mehr als bedenklich. Ein Problem von so großem Ausmaß, dass es mehr braucht als ein bisschen gesunde Ernährung in der Projektwoche der Schule oder ein Programm im Fitnessstudio. Hier besteht seit Jahren schon Handlungsbedarf!
Und dennoch gibt es eine andere Seite der Medaille. Aus den steigenden Zahlen an ernährungsmitbedingten Erkrankungen, den Entwicklungen der Lebensmittelindustrie und der freien Verfügbarkeit von sämtlichen Lebensmitteln sind in den letzten Jahren viele Ernährungstrends entstanden. Das ist ja erstmal sehr positiv. Der Drang einer ganzen Generation etwas zu ändern. Ein Protest gegen das Althergebrachte bzw. die Entwicklungen. Es beginnt bei „alles bio“, über „vegetarisch“ und „paleo“, bis hin zu der „frei von“-Bewegung die Laktose, Gluten, Hefe und einiges mehr meidet. Die Liste ist noch viel viel länger. Wir als Elterngeneration, die stets aus dem Vollen schöpfen konnte, haben uns freiwillig entschieden auf das Eine oder Andere zu verzichten. Die Gründe sind dabei vielfältig.
Was mich daran so nachdenklich macht ist jetzt aber die Rolle unserer Kinder in der ganzen Sache. Die machen mit. Unfreiwillig. Weil es die Eltern für sie entschieden haben. Aber wo führt es hin wenn Kinder mit einer selbstauferlegten Ernährungsweise, mehr oder weniger streng eingehalten, aufwachsen? Was macht es mit einem Kind wenn es hört: „Nein, wir essen hier keinen Kuchen, der ist nicht zuckerfrei.“ oder „Ich bringe XY seinen eigenen Nachtisch mit in die Kita. Die Kekse hier sind nicht glutenfrei.“ Ich glaube das hat Auswirkungen auf ein Kind. Auf den Genuss den ein Kind erlernen kann und auf die Art wie Kinder Lebensmittel schätzen. Wenn man heute kleine Kinder nach Brot und Milch fragt, sind das für viele keine Grundnahrungsmittel mehr, die eine wichtige Rolle in ihrer Ernährung spielen. Es sind Lebensmittel die zu meiden sind.
Versteht mich bitte nicht falsch, auch ich bin nicht glücklich über die Art der Herstellung unserer Nahrungsmittel an vielen Stellen. Aber ich finde dass meine Kinder die Möglichkeit haben sollten eigene Erfahrungen zu sammeln so wie wir es durften. Und wenn das bedeutet dass sie gerne einen Hamburger und Pommes essen möchten, dann mache ich mir nicht stundenlang Gedanken darüber dass das Fleisch unter unmöglichen Zuständen in den Hamburger einer großen Fast Food-Kette gelangt, sondern ich lasse sie ausprobieren. Und auf der anderen Seite gebe ich ihnen viele Impulse aus der anderen Richtung. Das heißt Gemüse auf dem Garagendach anpflanzen. Damit sie wissen wie eine „echte“ Tomate schmeckt und sie sich später, wenn sie größer sind, entscheiden können was sie lieber mögen. Denn ich finde DAS ist unsere Aufgabe als Eltern. Nicht vor etwas versperren oder schützen, sondern bei Erfahrungen begleiten. Das gilt auch fürs Essen.
Ja, diese Medaille hat viele Seiten und ich würde mich sehr freuen wenn ihr Lust habt das hier Geschriebene mit mir zu diskutieren. Denn auch ich bin, jenseits der Ernährungsfachkraft, letztlich nur eine Mama die das Beste für ihre Kinder möchte. So wir ihr alle. Und ich weiß dass wir hier über „Luxusprobleme“ sprechen. Denn das ist es was ich glaube woher die Ernährungstrends eigentlich kommen. Die meisten von uns haben eine viel zu große Auswahl an Lebensmitteln und jonglieren damit herum.
Mein Anliegen an euch: Geißelt euch und eure Familien nicht mit Vorgaben wo eigentlich keine sind. Gebt social media und all den schönen Bildern und Rezepten mit exotischen Superfoods nicht die Power über eure Ernährung. Folgt eurem Gefühl! Und gebt euren Kindern die Chance Lebensmittel kennen zu lernen und Genuss zu erfahren. Stellt doch ab und zu eure Ansprüche an „gesund“, „nachhaltig“, „bio“ und „vegan“ in den Hintergrund. Euren Kindern zuliebe. Lasst uns ein bisschen dankbarer sein für die tollen Dinge die unsere Landwirtschaft hergibt. Wie so oft, den Kindern zum Vorbild.
Eure Maike
Wichtiger Beitrag! Wieder hin zu mehr Toleranz in Sachen Ernährung kann ich nur befürworten. Und eines auch noch, man sollte meiner Meinung nach von Beginn an mehr Vertrauen ins Kind setzen, auch bezüglich der Ernährung. Wir haben unsere Tochter, mittlerweile 4, durch Baby led Weaning ans Essen herangeführt und ihr von Beginn an viel Auswahl gegeben und sie frei wählen lassen. Da gab es Phasen, in denen zum Frühstück 3 Bananen verdrückt wurden! Verrückt! Ne Woche später war sie dann 2 cm größer, sie hat die Energie einfach gebraucht. Und das zog sich durchs ganze Kleinkindalter, sie wusste oft instinktiv, was sie in dem Moment braucht. Und sie wusste und weiß, dass sie alles probieren darf, aber nichts essen muss.
Jetzt, mit vier Jahren, hat sie natürlich auch Dinge wie das goldene M für sich entdeckt, da sagen wir natürlich auch nicht immer nein. Solche Ausnahmen gehören für mich auch ein Stück weit zu einer glücklichen Kindheit.
Zu den ganzen anderen Ernährungstrends, ich kann zum Glück sagen, dass meine Familie und ich Pumperlgsund sind, was nicht zuletzt daran liegt, dass nichts komplett gemieden wird und daran halte ich auch fest. Die Mischung machts und wenn ich nen bewussten Umgang mit dem Thema Ernährung und Lebensmitteln vorlebe, ohne großen Verzicht, mit Genuss und gelegentlichen Ausnahmen, denk ich schon, dass ich hier die richtigen Weichen stelle für eine gesunde Ernährung und ein gutes Körpergefühl.
Klingt nach einem guten Plan den ihr da habt. Hauptsache es sind alle entspannt miteinander.
Ich finde gesunde und bewusste Ernährung super wichtig und finde es toll, dass es hier auf dem Blog eine Reihe dazu geben wird. Mit einer Stelle bin ich jedoch nicht ganz einig: Du, Maike, schreibst, dass die Kinder mitmachen (beim Verzicht der Eltern) und zwar unfreiwillig. Kinder, die von ihren Eltern Fleisch vorgesetzt bekommen, essen jedoch ebenfalls ‘unfreiwillig’ das gleiche wie die Eltern. Das ist auch in Ordnung so, sollte meiner Meinung nach aber nicht einseitig dargestellt werden. Kinder essen immer wie die Eltern.
Meiner persönlichen Meinung nach ist es zu begrüßen, wenn Kinder zB vegan aufgezogen werden. Reflektierte cegane Eltern werden ihr Kind in richtigen Alter selbst kosten und entscheiden lassen, ob es das beibehalten möchte. Aber das passiert dann in einem Moment, in dem das Kind weiß, woher bspw Fleisch, Fisch, Milch und Eier stammen. Das Kind wird nicht (wie ich es zB wurde) gezwungen, Fleisch zu essen ohne zu wissen, was es ist und wo es herkommt. Diese Kinder werden sehr viel früher die Möglichkeit haben, sich für einen ethischen Umgang mit Tieren und der Umwelt zu entscheiden.
Dem ist nichts hin zu zu fügen, ich wollte das selbe schreiben.
Hallo Ida, vielen Dank für deinen Kommentar und die Ergänzung zu meinem Beitrag. Das ist natürlich völlig richtig. Alle Kinder essen so wie die Eltern. Das ist auch gut so. Alles andere wäre gefaked und die Kinder würden es den Eltern nicht”abkaufen”. Und den Hinweis auf die Reflexion finde ich auch mega wichtig. Kinder sollen grundsätzlich wissen wo ihr Essen herkommt. Egal ob Gemüse oder Fleisch. Unser Weg mit unseren Kindern ist dass wir regelmäßig über die Tiere sprechen die wir gerade essen und uns dafür bedanken dass wir sie essen dürfen. Ich möchte meinen Kindern die Wertschätzung des Lebensmittels generell vermitteln.