Vorab möchte ich euch daran erinnern, dass ich ein Einzelfall bin und meine Aussagen nicht auf jeden Fall mit ICP anzuwenden sind. Mit der ICP ist es wie mit jedem von uns, jeder ist individuell.
Ich bin in der 28. SSW zusammen mit meiner Schwester geboren, ich hatte genau 1.100g. Eine „Handvoll“ wie meine Oma sagen würde. Die Ärzte reden von Sauerstoffmangel vor, während oder nach der Geburt – keiner kann das genau bestimmen. Es ist auch irrelevant. Ich kann nur sagen, dass Sauerstoffmangel zu den häufigsten Ursachen von ICP gehört. Die Spastik an allen vier Gliedmaßen (Tetra (4) -Spastik) ist nur ein Symptom der ICP (frühkindliche Hirnschädigung).
Durch die Unterversorgung mit Sauerstoff sind Nervenzellen in meinem Kleinhirn irreparabel geschädigt worden und können ihre Funktion nicht mehr korrekt ausführen – in meinem Fall heißt das, dass Spastiken auftreten, jeder einzelne Muskel in meinem Körper wird falsch gesteuert. Vor allem in Emotionalen Momenten und bei Müdigkeit kommen die spastischen Krämpfe zum Vorschein, das tut nicht wirklich weh, aber es ist sehr unangenehm, seine Beine (selten auch die Arme) nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Und vor allem in den Abendstunden kann es dir so manchen Filmeabend vermiesen, weil man durch die andauernden Kontraktionen (anspannen und entspannen) der Muskeln ziemlich fertig ist und auch innerlich aufgewühlter wird.
Am schwersten ist es, wenn du langsam beginnst zu begreifen, dass du anders bist. Wenn du eine Zwillingsschwester hast ist das natürlich präsenter. Resignation bleibt da nicht aus und Ungeduld ist an der Tagesordnung. Meine Schwester hat überall die Beschützerrolle für mich übernommen. Da ich erst mit 5 Jahren laufen konnte ist das aus heutiger Sicht vorhersehbar, ich war immer die „Verwundbare“ von uns beiden. Ein ungutes Gefühl hatte ich dabei trotzdem immer.
Meine Feinmotorik musste mit Ergotherapie unterstützt werden. Schreiben, Zeichnen und Tippen fällt mir heute noch ziemlich schwer vor allem bei langen Texten bzw. Arbeiten mit dem Geo-Dreieck.
Es gibt Momente da möchte ich mehr als wirklich geht, das fängt bei einem zu hohen Bürgersteig an, der doch eigentlich gar nicht so hoch aussieht (naja, wenn ich dann aber auf der Nase liege weiß ich das er zu hoch war) und hört bei meinem Wunsch Schlittschuh zu laufen auf. Obwohl jeder zu mir gesagt hat das, das nicht geht musste Ich es natürlich doch versuchen, nur um wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt zu werden. Das gleiche passiert natürlich auch umgekehrt. Ich habe Angst vor Situationen die ich auf jeden Fall könnte, aber mich einfach nicht traue. Da wäre zum Beispiel das Bahn fahren, oder alleine zu Terminen zu gehen, wenn ich den Weg nicht kenne (mein Orientierungssinn ist wirklich zum weinen) – vor allem dabei bin ich der größte Angsthase der auf Erden rumrennt.
Wenn man diese Wünsche hat, die der Körper einem einfach nicht erfüllen kann, kommt es auch mal vor, dass man anfängt zu träumen, von einem Leben ohne Krankheit. Tanzen, Eiskunstlauf, Ballett… ich versuche solche Träume nicht mehr zuzulassen, denn der Aufprall auf dem Boden ist zu hart
Es wird immer mehr dazu kommen, dass ich an meine Grenzen komme und ich werde es nicht ändern können, irgendwann wird auch der strapazierfähigste Muskel zu schwach. Dann hilft nur noch eine Operation, irgendwann wird diese auch kommen müssen, aber ich versuche sie so lange hinauszuzögern wie es geht. Mit verschiedenen Therapien dagegen zu arbeiten. Ich habe die beste Erfahrung mit Wassertherapie und Therapeutischem Reiten gemacht. Bei beiden Therapien vergesse ich, wie schwer mir jede Bewegung fällt. Was mich belastet rückt in den Hintergrund.
Meine Mama hat mit mir alle Therapien, die ihr zur Verfügung standen ausprobiert und ich wäre heute nicht da wo ich bin ohne sie, von ihr habe ich gelernt stark zu sein, egal wie schlecht es das Leben gerade mit dir meint.
Es gibt Tage, da kann ich mich vor Rückenschmerzen und bzw. oder Verkrampfungen kaum bewegen, mein Körper entscheidet für mich, ob ich will oder nicht!
Jede Form von Stress wirkt sich negativ auf meinen Körper aus. Sei es, dass meine Blase mich im Stich lässt oder mein Herz anfängt verrückt zu spielen, trotz Medikament. Jeder Muskel wird beeinflusst von dem was um mich herum passiert.
Ich dachte immer, wenn ich schon nichts kontrollieren kann was mein Köper mit mir macht, dann wenigstens was ich mit meinem Geist anstelle. Also habe ich mich durchs Abitur gekämpft, und mein Studium begonnen. Schon mit 13 wusste ich: erst Abi und dann Studium, ich hatte mir alles ausgemalt. Es trifft dich umso härter, wenn du in diesem Alter von einer Person des Pflegedienstes gesagt bekommst: “Es könnte sein das du niemals Kinder bekommen wirst, denn auch die Gebärmutter ist ein Muskel!“ Für viele 13-jährige ist das vielleicht nicht so tragisch, denn die Gedanken einer Familie sind noch sehr weit weg, ich hingegen hatte mir mein Leben schon ausgemalt und darin kamen Kinder definitiv vor! Für mich war das wie ein Schlag in die Magengegend, aber abfinden wollte ich mich damit nicht, jeder Gynäkologe hat mir meine Vermutungen bestätigt. Ich kann definitiv schwanger werden, dass es ein Risiko gibt für mich und das Kind steht fest, aber keines das nicht vorhersehbar ist. Ich müsste engmaschiger als üblich überwacht werden und mich auf einen Kaiserschnitt einstellen aber solange ich weder mich noch mein Kind in Lebensgefahr bringe, kann ich das mit meinen Grundsätzen vereinbaren. Und sind wir mal ehrlich? Jede Schwangerschaft birgt ein Risiko. Auch mein Freund möchte Kinder, sehr gerne sogar, er weiß um alle meine Baustellen und akzeptiert sie, wir machen sogar darüber kleinere Witze. Wenn man nicht über sich selbst lachen kann ist man verloren ohne Humor, wäre ICH verloren. Es wird noch so viel auf mich/uns zu kommen, die OP, ambulante Behandlungen, Intensiv-Therapien usw., wenn man bei diesem Marathon den Humor verliert, verliert man irgendwann sich selbst.